Wie funktioniert die ISO bei Videokameras

Wie funktioniert die ISO bei Videokameras

In diesem Grundlagenartikel schauen wir uns die ISO von digitalen Videokameras an. Früher galt ja oft, viel Licht = niedrige ISO, wenig Licht = hohe ISO. So ist das aber heute nicht mehr unbedingt mit den LOG-Formaten und Dual-ISO-Sensoren. In diesem Artikel möchte ich ein paar Verständnisprobleme in Bezug auf ISO erläutern und hoffentlich viele Ungereimtheiten beseitigen. 

Disclaimer: Ich schreibe in diesem Artikel oft über Film, analog Film und Video. Das ist etwas schwierig, weil man mit Film natürlich bewegtes Bild meinen kann, als auch das gute alte analoge Filmmaterial. Ich versuche in der Regel immer analog Film zu schreiben, wenn ich Celluloid meine. Video- und Filmmaterial ist für mich das Gleiche. 

Disclaimer 2: Mir raucht der Kopf sehr nach diesem Artikel und gefühlt kapiere ich überhaupt nichts mehr. Ich muss auch sagen, dass ich kein Physiker oder Elektroniker bin. Ich hoffe aber, dass ich bei meiner Recherche alles richtig verstanden habe und auch hier richtig wiedergebe. Teilweise gehen die Informationen in diesem Artikel sehr tief in die Materie, aber an sich macht es ja auch Spaß, sich in so ein Thema tief einzuarbeiten. 

Disclaimer 3: Jetzt brauche ich schon drei Disclaimer vor diesem Artikel. Da seht ihr wie wichtig dieses Thema ist. Auf unzähligen Youtube-Videos wird immer wieder gesagt, dass die ISO bei einer CinemaCamera auch das Rauschen verändert. Ich muss aber sagen, dass ich da nicht ganz so unterstreichen kann und meine eigenen Tests andere Ergebnisse liefern. Es gibt aber auch Fotografen, die ähnliche Beobachtung wie ich machen.
Ich habe bewusst bei meinen Tests auch nichts an der Belichtung (keine Änderung der Blende oder Belichtungszeit, kein Einsatz von ND-Filtern) geändert und nur die ISO angepasst. Ich sehe sehr viele YouTube, die ähnliche Tests machen, hier aber immer die Belichtung noch anpassen. Ich bin mir nicht sicher, ob das verlässliche Ergebnisse liefert.

Für wen schreibe ich diesen Artikel

Wie auch bei meinem Artikel über raw-Video schreibe ich diesen Artikel über die ISO für mich selbst. Jahrelang in meiner Filmen-mit-DSLR-Zeit habe ich ISO nur zur Helligkeit verwendet. Im Grunde war das auch richtig so, da die DSLRs ja nur ein minderwertiges 8-Bit H264 aufgenommen haben. Dieses Format gibt einem nicht sehr viel Spielraum in der Postproduktion. Ich habe mir auch Gedanken zur ISO gemacht und meistens hat man eben mit der niedrigsten ISO gedreht, die möglich war. 

Es ist richtig, die höhere ISO zu verwenden, aber gleichzeitig auch falsch, da man teilweise ja nur das Rauschen erhöht, wenn man grundsätzlich zu wenig Licht hat, mehr dazu gleich im Artikel.

Spätestens mit der Canon C300 wurde ich aber mit einer nativen ISO konfrontiert. Bei der nativen ISO hat der Sensor die beste Performance. Bei zu viel Licht habe ich aber oft die ISO verringert, was im Nachhinein ein Fehler war. Da man dadurch auch weniger Dynamik hat. Wirklich klar war mir das damals nicht. In dieser Erklärung von Canon gibt es auch eine kleine Grafik, die die Dynamik der Kamera bei unterschiedlichen ISO-Stufen angibt. Man sieht auch die unterschiedlichen Gain-Werte des Sensors. Zu Gain und ISO auch gleich mehr im Artikel. 

Man hatte irgendwie immer nur das Mantra „ISO runter, damit man weniger Bildrauschen hat“. Bildrauschen war und ist ja immer noch ein Thema, bei dem viele Fotografen und Filmemacher komplett ausrasten. Die Bilder rauschen hört man ja oft … nachdem man auf 300% auf dem Monitor gezoomt hat. Aber Bildrauschen ist ein anderes Thema, das ich auch mal im Blog behandeln werde. 

Einführung

Immer mehr Menschen steigen von DSLRs und spiegellosen Kameras (DSLMs oder Premium Kompaktkameras) auf professionelle digitale Kinokameras oder Cinema Camcorder um. Das Thema Belichtung wird jetzt immer mehr zu einem Problem, weil viele einfach nicht wissen, was ein LOG-Format ist und wie man dieses unter Umständen belichten muss. Die meistens möchten aber auch unbedingt in einem LOG-Format aufnehmen, weil sie bei YouTube gehört haben, dass man hier die höchste Dynamik hat. Mir ging es ja auch so. 

Gerade viele Fotografen, die jetzt auch Filmen, verwenden die digitalen Kinokameras wie einen Fotoapparat und hier entstehen natürlich viele Probleme bei der Belichtung. Zum einen wird die Belichtungszeit oft willkürlich verwendet. Dieses Problem habe ich schon in meinem Artikel zur 180-Grad-Regel behandelt. Die ISO ist aber auch ein Punkt, bei dem viele einfach nach alten Mustern verfahren und die ISO möglichst niedrig wählen. 

ISO steuert doch die Helligkeit des Videos?

Ja, irgendwie schon, aber auch nicht. Das Thema ISO ist überraschend komplex und beschäftigt mit irgendwie dauern. Einige der Dinge, die ich gelernt habe, sind völlig kontraintuitiv, wie die Verwendung einer niedrigeren ISO-Einstellung in schlecht beleuchteten Situationen. 

Folgende Punkte werde ich im ersten Teil dieses Artikels behandeln: 

  • Woher kommt die ISO?
  • Was ist das Merkmal von ISO in digitalen Kameras?
  • Was ist Verstärkung (Gain) und wie hängt sie mit ISO zusammen?
  • Was bedeutet wirklich native ISO und wie sieht sie aus?

Im zweiten Teil gehen wir tiefer ins Detail und analysieren, wie sich ISO beim Filmen in LOG und RAW verhält. Dann gebe ich euch noch 10 Tipps zum Thema ISO.

ISO ist aus der analogen Filmzeit

Ihr habt wahrscheinlich schon oft das Belichtungsdreieck gesehen oder davon gehört. Das Belichtungsdreieck besagt, dass die Belichtung auf dem Sensor von drei Faktoren beeinflusst wird – Blende, Belichtungszeit und ISO. Die ISO wurde hier oft mit der Empfindlichkeit des Sensors beziffert. Das stimmt aber so nicht ganz. In meinem Artikel zu raw-Video bin ich auch schon auf dieses Thema eingegangen.

Geschichte der ISO

Um den Wert ISO zu verstehen, müssen wir uns kurz die Geschichte der ISO anschauen. ISO stammt aus der Analogfilm-Zeit und ist ein Maß für die Empfindlichkeit von analogem Filmmaterial gegenüber Licht. Die Größe der Silberhalogenid-Körner in der Emulsion bestimmt dann eben die Empfindlichkeit des Films. Größere Körner absorbieren mehr Licht (und sind daher auch später im fertigen Video sichtbarer). 

Die ISO, also konkret die Zahl, diente nur dazu, dass man diese Zahl im Belichtungsmesser einstellen konnte, um dann die richtige Blendenöffnung einzustellen, bei analogem Film. Dadurch hat man eine neutrale Belichtung erhalten. Bei einer analogen Filmkamera kann man eben nicht live das belichtete Bild überprüfen, da der Film ja belichtet werden muss. Daher braucht man einen Belichtungsmesser. Nach ein paar Jahren hat man natürlich auch genügend Erfahrung und weiß, wie man belichten muss. 

ISO = ASA = Wirrwarr

Zu Beginn des digitalen Zeitalters wurde die ISO als einfache Möglichkeit verwendet, die Empfindlichkeit des Sensors für Personen zu kommunizieren, die daran gewöhnt waren, auf analogem Film zu drehen. In Bezug auf die Belichtung sollte ISO 100 an einer digitalen Kamera gleich ISO 100 ASA Filmstock sein. An diesem Punkt verlieren die Vergleiche zu Film jedoch ihre Nützlichkeit. 

Der ISO-Standard wurde auch mehrfach geändert (siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Film_speed).

ISO misst keine Empfindlichkeit und kann nicht geändert werden (also fast nicht)

ISO für analoges Filmmaterial ist eine exakte Wissenschaft.
ISO bei digitalen Kameras ist größtenteils die Meinung des Herstellers darüber, wo das Bild „am besten“ aussieht. Deshalb sind zum Beispiel Sonys ISO 800, Canons ISO 800 oder REDs ISO 800 nicht genau dasselbe. Teilweise kann es je nach Sensor Unterschiede von bis zu einer Blende geben. Teilweise sind auch auf einigen billigeren Kameras sind die ISO-Einstellungen einfach falsch oder falsch bezeichnet.

Auszug aus Wikipedia: Ein Halbleitersensor ist in Kombination mit der Kameraelektronik so flexibel, dass man das ganze Konzept der standardisierten Filmempfindlichkeit infrage stellen kann. Diese Erkenntnis hat auch zur Festlegung von mehr oder weniger willkürlichen ISO-Werten seitens der Kamerahersteller geführt.

Die Analogie von digitaler ISO und analoger ISO war auch von Anfang an irreführend, da man einen digitalen Sensor nicht einfach wechseln kann. Bei einer analogen Filmkamera kann man einen ISO 100 Filmeinlegen und hat dann eine bestimmte Empfindlichkeit, beim nächsten Film legt man dann ISO 400 ein und hat eine höhere Empfindlichkeit. Der Kamerasensor hat ja eine bestimmte feste Empfindlichkeit, da die Größe der einzelnen Pixel auf dem Sensor ja fest ist. 

Umgekehrt kann man auch nicht die ISO von analogem Filmmaterial einfach verändern. Ein ISO 100 Film bleibt ISO 100 Film. 

Was macht die ISO bei digitalen Sensoren?

Was bedeutet also ISO in einer digitalen Kamera? Wenn man die Empfindlichkeit des Sensors in der Kamera nicht ändern kann, was ändert sich dann durch die Änderung der ISO-Einstellungen? Die digitale Verstärkung (Gain) des Sensors wird bei einer Änderung der ISO geändert. Das Erhöhen der ISO-Einstellungen verstärkt das aufgezeichnete Signal. 

ISO sollte eher als Gain bezeichnet werden (und wird es auch)

Wenn wir Gain verstehen wollen, müssen wir uns noch einmal grob anschauen, wie ein digitaler Sensor funktioniert. Ein Sensor hat lichtsensitive Pixel, die einem bestimmten Raster angeordnet sind. Jedes Licht, das auf den Sensor fällt, wird als Signal registriert. Mehr Licht bedeutet ein stärkeres Signal. Aber wenn nicht genügend Licht vorhanden ist, geht das Signal in Rauschen unter. Den Sensor produziert nämlich immer auch ein Grundrauschen als Nebeneffekt (Another important characteristic is the dark noise of the sensor. Dark noise means that even without any light falling onto the sensor, the digital numbers generated from the signal of the photosites will fluctuate. At a very low exposure the signal of the sensor will be less than the standard deviation (SNR < 1) because the dark noise is always added. When the exposure and therefore the signal increases, it will at some point reach the level of the noise (SNR = 1). This is called the sensitivity threshold. -). https://www.arri.com/resource/blob/295460/e10ff8a5b3abf26c33f8754379b57442/2022-09-28-arri-dynamic-range-whitepaper-data.pdf

Signal to Noise Ratio

Ihr habt wahrscheinlich schon vom Signal-to-Noise Ratio gehört, also dem Verhältnis von einem Signal zum Rauschen. Wenn das Signal weit über dem Rauschboden liegt, hat man ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis, und das Bild ist klar (z. B. 10:1, der erste Wert ist das Signal, der zweite Wert das Rauschen). Wenn das Signal zur gering ist, und im Rauschen versinkt, ist das Signal-Rausch-Verhältnis niedrig, und das Bild ist unbrauchbar (z. B. 1:2).

Hier kommt der Gain ins Spiel. Man kann einem Sensor mehr Spannung zufügen, um ihn „härter“ arbeiten zu lassen. Es ist buchstäblich dasselbe wie das Aufdrehen des Verstärkungsreglers an einer Stereoanlage. Hier werdet ihr nach einer Zeit auch das Grundrauschen des Systems deutlicher hören. Der Gain wird in Dezibel gemessen. Also bei 0db hat man eben keine Verstärkung des Signals und bei +6db hat man zum Beispiel eine Verdoppelung der Spannung und somit auch doppelt so viel Licht auf dem Sensor. Doppelt soviel Licht wäre dann +1 Blende mehr Licht. +12db wären dann eben 2 Blenden. Bei einigen professionellen Videokameras kann man sich auch Gain statt ISO anzeigen lassen.

Allgemein, das Signal wird verstärkt, sodass euer Bild auf dem Monitor heller erscheint, aber es gibt einen Haken. Das Grundrauschen wird natürlich auch verstärkt. Wenn man das Signal verdoppelt, verdoppelt man auch das Rauschen. 

Man kann die Belichtung mit ISO oder Gain also nicht erhöhen. Die Kamera wird dadurch nicht empfindlicher. Die Helligkeit des Bildes auf dem Monitor ist nicht dasselbe wie die Belichtung. Eine Erhöhung des Gains bringt einem kein zusätzliches Licht, sondern das vorhandene Licht wird „nur“ verstärkt. 

Wenn ihr jetzt in einer dunklen Szene mit vielen wichtigen Details in den Schatten filmt, wird das Erhöhen der ISO-Einstellungen tatsächlich das Bild verschlechtern, weil das Ausgangssignal bereits zu gering ist. Das Signal liegt bereits im Rauschen und wird jetzt erhöht. Eigentlich sollte man das Rauschen senken. 

Daher sollte man hier eher die ISO senken, um zum einen das Rauschen zu senken und zum anderen, damit man sieht, dass man zu wenig Licht hat. So kann man die Belichtung über die Blende oder Belichtungszeit justieren oder mehr Licht generell der Szenerie geben. Aber eben mit Scheinwerfern. 

Probleme mit 0db Gain

Der Gain ist natürlich auch nicht frei von Interpretationsspielraum der Kamerahersteller. 0db Gain ist von Kamerahersteller zu Kamerahersteller auch unterschiedlich. Daher ist es so schwierig, Kameras von unterschiedlichen Herstellern miteinander zu vergleichen. 

Native ISO eines Sensors

Oft wird einem ja empfohlen, mit der nativen ISO einer Kamera zu drehen. Wie bereits beschrieben, bin ich mit dem Begriff native ISO mit der C300 zum ersten Mal in Berührung gekommen. Die native ISO eines Sensors ist der Wert, bei dem der Sensor die beste Bildqualität liefert. Jede Kamera hat diesen nativen ISO Bereich, der vom Hersteller festgelegt wird. 

Einige Sensoren sind mit zwei Verstärkungs-Kreisen (Gain-Circuits) ausgestattet. Das gibt uns die Möglichkeit, zwischen zwei ISO-Werten zu wechseln, ohne dabei Gain hinzuzufügen. Ein Gain ist dann eben für den „normal“ Lichtbereich und ein Gain für wenig Licht. 

Dieses Feature nennt man Dual-Base-ISO. Wie das bei den einzelnen Kameras umgesetzt wird, hängt vom jeweiligen Sensor und der Signalverarbeitung ab, es gibt Dual-Base-ISO-Kameras mit 500 und 2.500 ISO, Kameras mit 800 und 4000 ISO und Kameras mit 800 und 12800. Das wichtige hierbei ist, dass bei beiden ISO-Werten der Sensor ungefähr die gleiche Dynamik und Rauschverhalten bringt. 

Unterschiedliche Sensor-Technologien

Es gibt hier auch Unterschiede in der Technologie, nämlich Dual Native ISO Sensoren und Dual Gain Sensoren. Beide Technologien arbeiten aber unterschiedlich und liefern unterschiedliche Ergebnisse. 

Bevor der Sensor die Intensität des Lichts (mehr oder weniger Spannung auf dem Sensor) in digitale Daten umwandelt (Analog-Digital-Umwandlung oder ADC), besteht die Möglichkeit, das Signal mit Transistoren zu verstärken. Es handelt sich um analoge Verstärkung und ist die klassische Verwendung von Transistoren. Da dies noch nicht digital ist, besteht theoretisch die Möglichkeit, unendlich viele Details herauszuarbeiten. Praktisch gesehen gibt es natürlich das Problem des Rauschens (Grundrauschen des Lichts, wie bereits im WhitePaper von ARRI erläutert), das dies stark einschränkt, aber dennoch ist dies von großer Bedeutung.

Nach der ADC kann das Signal auch noch digital „verstärkt“ werden. Dies entspricht dem Vorgang, eine Zahl zu nehmen und sie zu multiplizieren. Technisch gesehen handelt es sich nicht um eine Verstärkung, da es das Bild heller erscheinen lässt, ohne tatsächlich neue Informationen hinzuzufügen. Das ist eben die klassische Anpassung der Helligkeit über die ISO. 

Wenn diese Anpassung vor der Kompression erfolgt, kann sichergestellt werden, dass wichtige Informationen nicht in die Bedeutungslosigkeit komprimiert werden, aber das ist auch schon alles.

Jede Kamera verwendet beide Methoden der Verstärkung. Vor und nach der Digitalisierung. 

Dual Native ISO

Nun kommen wir zu Ihrer Frage. Was bedeutet „Dual Native ISO“? Es bedeutet, dass es zwei Arten von Transistoren im Sensor gibt, um zwei verschiedene Verstärkungsstufen vor der Digitalisierung zu erreichen. Das bedeutet, man kann diejenige Stufe auswählen, die man für die jeweilige Situation mehr braucht. Die Low-Light Stufe (höhere ISO) ermöglicht Aufnahmen bei weniger Licht, reduziert jedoch den Dynamikbereich. Eine kann es Ihnen ermöglichen, bei schlechten Lichtverhältnissen besser zu sehen, reduziert jedoch den Dynamikbereich etwas. Die „normale“ Stufe hat den besseren Dynamikbereich, man braucht jedoch mehr Licht für die Belichtung. Dieses Sensorverhalten sieht man am besten bei den Dual-Iso Kamera von Blackmagic, da Blackmagic konkret eine Tabelle mit den Blendenstufen veröffentlicht hat. Im ersten ISO-Bereich hat man 13,1 Stops, im zweiten ISO-Bereich „nur“ noch 12,3. 

Hier sehen wir jetzt auch wieder das Problem von der ISO und Gain. In der „normalen“ Stufe wird nur die eine Art der Transistoren vor der Digitalisierung angesprochen, die ISO-Werte innerhalb von diesem Bereich sind dann digitale verstärkte Signale. An sich müssten wir von analogem und digitaler Verstärkung (Gain) sprechen. Ein Dual-ISO-Sensor hat dann eben genau zwei analoge Verstärkungen und mehrere digitale Verstärkungen. 

Dual Gain Sensor

Ein Dual Gain Sensor verwendet auch verschiedene Transistoren. Doch pro Pixel und diese beiden Transistoren sind immer aktiv. Das bedeutet, dass jeder einzelne Pixel von jedem einzelnen Framew, das die Kamera aufnimmt, von den Vorteilen beider Verstärkungsstufen profitiert. Egal, welche ISO man gewählt hat. Ein intelligenter Algorithmus kombiniert dann diese BEIDEN Pixelwerte zu einem weiten Dynamikbereichswert. Es ist, als ob man zwei Belichtungen gleichzeitig macht. Fotografen kennen das als HDR-Belichtungsreihe (nur sieht das bei ARRI nicht so schrecklich aus. Viele HDR-Fotos sind ja komplett verschandelt). 

Natürlich kann man die ISO bei diesem Sensor auch zwischen 200 oder 1280 wählen, aber an sich ändern man hier nur die digitale Verstärkung. Diese Anpassung kann man fast auch in der Postproduktion in Resolve machen. Hier wird man ähnliche Ergebnisse erzielen. Nicht genau die gleichen, weil die Komprimierung des Codecs noch eine Rolle spielt. Hier kann ich wieder auf meinen Artikel raw-Video verweisen.

Andere Sensortechnologie

Es gibt auch noch andere Sensortechnologien. Hier habe ich mich aber noch nicht ganz so eingelesen, weil es in meinem Arbeitsalltag bis jetzt noch nicht von Nöten war.

ISO und LOG: Ein schwieriges Verhältnis

Jetzt kommt noch einmal ein Faktor bei der ISO hinzu – LOG-Profile. Die Hersteller geben zum Beispiel an, dass man mit einem LOG-Profil die Kamera bei einer bestimmten ISO belichten soll und bei einem „normalen“ Bildprofil die Kamera bei einer anderen ISO belichten soll. 

Sony sagt zum Beispiel bei der FX6, dass die native ISO bei SLOG-3 bei 800 liegt, im S-Cinetone-Modus ist die native ISO 320. Wie kann das sein?

Wisst ihr noch? ISO ist nur eine Zahl und kann von den Kameraherstellern egal wie festgelegt werden. ISO bedeutet nur die Zahl, die man im Belichtungsmesser eingeben soll, um eine korrekte Belichtung von 18% bei dem jeweiligen Bildprofil zu erhalten. LOG-Profile sind sehr flach, andere Bildprofile nicht. 18%-Grau fällt auf unterschiedliche Werte im Waveform Monitor bei SLOG-3 und S-Cinetone. 

Welche ISO soll ich jetzt in LOG-Bildformaten nehmen?

In Bezug auf die native ISO sollte man beachten, dass man in der Regel die höchste Dynamik einen Sensor bei einem flachen Bildprofil hat. Der Kamerabildsensor erfasst Licht linear: Je mehr Licht, desto mehr Spannung auf dem Sensor, desto mehr Informationen. 

Unsere menschliche Wahrnehmung funktioniert aber logarithmisch. Der Kamerasensor muss daher nicht den unterschiedlichen Lichtintensitäten die gleiche Wichtigkeit zuordnen. Bei LOG-Profilen (LOG = Abkürzung von Logarithmus) wird das Gamma daher in den unteren und oberen Bereichen (Schatten und Lichter) gebogen, um den mittleren Werten mehr Informationen zu geben. 

Dadurch können die Informationen in der Datei gleichmäßig zwischen den Schritten des Dynamikbereichs verteilt werden. Es wird in den Schatten genauso viele Informationen geben wie in den Highlights. Das ist der Zweck des logarithmischen Gamma: den maximalen Dynamikbereich in die Datei zu zwängen. Aber das ist nicht immer gut, besonders wenn man nur 8-Bit hat und nicht immer notwendig, mehr dazu später.

LOG-Kurve

Schauen wir uns hier dieses Diagramm von einer LOG-Kurve von einem flachen Bildprofil an. Man sieht hier, wie die Informationen zwischen Schatten und Lichtern verteilt werden. Jetzt wird der höchste Dynamikbereich ziemlich gleichmäßig zwischen Schatten und Highlights verteilt. Der maximale theoretische Dynamikbereich von LogC4 bei der Alexa 35 beträgt 18 – 19 Stopps, aber die tatsächliche DR wird durch das Grundrauschen des Sensors begrenzt. Arri gibt daher den Dynamikbereich der Alexa 35 mit 17 Stops an. 

Wenn man in LOG-Format aufnimmt, dann sollte man auch die native ISO des Sensors verwenden, da man hier die optimale Performance des Sensors hat. Das gilt natürlich bei Kameras, die nicht mehr die optimale Performance haben, wenn man von der Base-ISO abweicht. Wenn einem das Bild aber generell zu dunkel ist und man die ISO hochfährt, dann nimmt man auch mehr Rauschen in Kauf. Warum nimmt man dann überhaupt in einem LOG-Profil auf, das einem möglichst viel Dynamik geben soll? Wie man es dreht und wendet, man kann die Physik einfach nicht umgehen. Wenn man in einer Szene zu wenig Licht hat, dann hat man einfach zu wenig Licht. 

Ehrlich gesagt – in diesem Fall ist die Aufnahme in einem Standardbildprofil die bessere Option. Schließlich verwendet das Standardbildprofil die linearen Daten direkt vom Sensor, bevor die logarithmische Funktion angewendet wird und die Komprimierung durch den Codec erfolgt. Bei einem unterbelichteten LOG-Profil wird auch das unterbelichtete Bild komprimiert und man hat somit weniger Spielraum in der Postproduktion. Das gilt besonders bei h264-Codecs. 

d.h., der Dateibehälter wird gleichmäßiger mit Informationen gefüllt. Mehr Informationen, wo mehr Licht ist. Denkt daran: Die Gamma-Kurve hat keinen Einfluss auf die Größe des Behälters, sondern bestimmt lediglich, wie er gefüllt wird.

Ich habe gehört, dass man LOG überbelichten soll 

Das LOG-Profil und die native ISO einer Kamera stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Bei einer neutralen Belichtung bekommt man die meisten Daten in den Schatten und in den Highlights. Zum Beispiel fällt das neutrale Grau beim Blackmagic Film Profil auf 38,4%.

Aber der Dynamikbereich der gefilmten Szene ist nicht immer größer als der Dynamikbereich des LOG-Profils. In diesem Fall hat der Sensor quasi noch Spielraum nach Oben. Da der Sensor ja ein Grundrauschen hat, könnte man jetzt auch etwas heller belichten und so den Spielraum von oben minimieren. Im Allgemeinen wird dies auch als ETTR (Exposure to the right) bezeichnet und ich habe das bereits in meinem Artikel zur Belichtung der Pocket4K erklärt. Die Probleme mit ETTR habe ich auch hier schon erläutert. Oft bringt es einem nicht so viel wie erhofft und man hat auch keine konstante Belichtung mehr von aufeinander folgenden Szenen. 

Natürlich kann man auch mit ETTR und LOG drehen, aber man sollte dann ganz genau wissen, wie weit man überbelichtet hat. Später in der Farbkorrektur passt sonst die LUT nicht mehr, da ja die LUT ja eine korrekte Belichtung von 18% bei diesem speziellen LOG-Profil erwartet. 

ISO in raw ist ein Belichtungsindex (Exposure Index, EI)

Ok, wir haben jetzt schon gelernt, dass die ISO nicht die Belichtung anpassen kann und dass man bei vielen Kinokameras und mittlerweile auch bei Cinema Camcordern und Cinema DSLMs (diese Kategorie habe ich jetzt erfunden) nicht mehr den Gain anpassen kann. Man dreht hier immer mit der nativen ISO und falls man einen Dual-Iso Sensor hat, hat man zwei native ISOs zur Auswahl. Das ist an sich auch logisch, da man bei diesen Kameras immer mit der größten Dynamik drehen will. Wenn man jetzt noch in raw-Video dreht, dann hat die ISO teilweise noch eine geringere Rolle. Siehe auch hier meinen Artikel raw-Video. 

Jetzt habe ich in meinem Blog ja auch schon öfters vom Exposure Index (EI) gesprochen. 

Bei vielen digitalen Kinokameras, bei denen die Dynamik egal bei welcher ISO gleich bleibt, spricht man eher von Exposure Index. Jetzt haben wir wieder ein Benennungsproblem. RED zum Beispiel nennt es weiterhin ISO, obwohl man eher von EI sprechen sollte. Bei ARRI wird es EI genannt. 

Mit dem Exposure Index kann man sich eine mögliche Belichtung auf dem Monitor anzeigen lassen. Wenn die native ISO/EI bei 800 ist und man in der Kamera die ISO/EI auf 1600 stellt, dann sagt man der Kamera nur – zeige mir ein Bild auf dem Monitor, wenn ich eine Blende mehr Licht hätte. EI ist an sich nur ein Werkzeug, um sich unterschiedliche Belichtungen anzuzeigen. Auf die Speicherkarte wird aber immer die native ISO (800) aufgenommen, dazu wird in die Metadaten die angepasste ISO (1600) geschrieben, damit man später im Schnitt sieht, wie man es am Set sehen wollte.  

ISO, Gain, EI – Was bringt mir das alles?

Mega interessant, sagt ihr jetzt wahrscheinlich. Aber was bringt mir das, ich drehe morgen eine Hochzeit in einem schlecht beleuchtetem Restaurant mit einer Standard DSLM von Sony. Hier brauche ich doch einfach eine hohe ISO, oder?
Ja manchmal ist es einfach so. Ihr solltet euch aber überlegen, ob ihr wirklich in einem LOG-Profil aufzeichnen müsst. 

Rauschminderung/Noise reduction

Und bei diesem Thema müssen wir jetzt über Rauschunterdrückung reden. LOG-Profile und Bildrauschen vertragen sich nicht so gut. Rauschen, das im LOG aufgenommen wird, wird durch eine REC709 LUT verstärkt. Viele Kameras haben eben auch eine interne Rauschminimierung und diese greift teilweise heftig in das Material ein. Wenn man jetzt in LOG bei wenig Licht filmt und die interne Rauschminimierung die letzten Details wegbügelt, dann könnt ihr euch vorstellen, was passiert, wenn man das Material mit einer LUT auf REC709 bringt. Alles sieht komplett verwaschen aus. 

Beim Filmen im LOG-Modus solltet ihr wirklich alle in der Kamera verfügbaren Rauschunterdrückungsoptionen ausschalten und euer Eingangssignal über dem Grundrauschen halten. Auf diese Weise erhalten Sie das sauberste Rohmaterial der Kamera, mit dem Sie in der Nachbearbeitung arbeiten können. Das gilt natürlich nur, wenn ihr das Licht gut beeinflussen könnt. 

Bei dem Hochzeitsbeispiel von gerade sollte man genau andersrum arbeiten. Man dreht das ganze dann nicht in einem LOG-Profil, sondern in einem Standard-Bildprofil mit interner Rauschunterdrückung.

Rauschunterdrückung intern oder später in der Post kommt aber immer mit Einschränkungen. Teilweise sieht das Bild natürlich auf dem Kameradisplay oder einem kleinen externen Display hervorragend aus. Es ist bei ISO 6400 gut belichtet und man sieht überhaupt kein Rauschen. Später auf einem großen Monitor erlebt man dann eine Überraschung. Wenn das Eingangssignal einfach zu schwach ist, muss die Kamera einfach raten und teilweise eben Informationen hinzufügen. Dadurch können feine Details und Farbtreue verloren gehen. Das Bild wird unscharf und verliert Sättigung. Teilweise steuern die Hersteller hier nach und schärfen dann digital nach, bevor das Material komprimiert wird. Zusätzlich wird dann auch noch die Sättigung angepasst und schon haben wir ein überscharfes, schlecht aussehendes Bild, mit dem oft gehassten Videolook. 

Kamerahersteller kennen ihre Sensoren sehr gut und können ihre Rauschunterdrückung für das jeweilige Rauschmuster bei jedem Empfindlichkeitsniveau feinabstimmen. Da ein Großteil des Rauschens nicht nur Luma, sondern auch Chroma betrifft, wird auch die Farbinformation durch die Erhöhung der Empfindlichkeit beeinträchtigt. Wir arbeiten hier mit Bayer-Mustersensoren, sodass die Farbinformation bereits etwas unvollständig ist und die Kamera viele Vermutungen anstellt. Deshalb ist es bei hohen ISO-Werten besser, die Kamera die Arbeit machen zu lassen und euch ein vollständiges Bild zu präsentieren, anstatt zu versuchen, es in der Nachbearbeitung zu korrigieren. Das bedeutet eben – Standard-Bildprofil. 

ISO Test in BRAW und ProRes mit der Blackmagic Pocket 6K
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Zusammenfassung und Fazit

Fassen wir einmal die wichtigsten Punkte zusammen:

  • ISO ist nicht das Gleiche wie Gain.
  • Der Gain ist der Faktor, um den das Signal verstärkt wird.
  • Erhöht man den Gain, erhöht man auch das Rauschen
  • Man kann die Belichtung nicht mit ISO erhöhen, das erhöht nur das Rauschen
  • Sensoren haben eine native ISO und hier hat man den optimalen Wert für den Sensor
  • Bei der Aufnahme in LOG ist die Verwendung der nativen ISO von entscheidender Bedeutung, und die Belichtung sollte in der Regel um ein oder zwei Blendenstufen über dem Rauschboden des Wellenform-Diagramms liegen -> wenn man ETTR machen will
  • Die ISO-Einstellung ändert nicht den Gain in LOG- oder RAW-Modus.
  • Dual Native ISO ermöglicht mehr Flexibilität bei der ISO-Auswahl, ohne die Qualität zu beeinträchtigen.
  • Bei kontrollierten Dreharbeiten mit gutem Licht sind höhere Basissensitivitäten und ND-Filter die sauberste Option.

Ich hoffe, dass ihr jetzt etwas mehr über ISO wisst und wie ISO in der Videowelt funktioniert. Ihr solltet euch aber überhaupt nicht auf diese Sachen, die ich hier schreibe, verlassen. Am besten testet ihr einfach selber eure Kamera. 

Lest euch auch die Bedienungsanleitung eurer Kamera durch. Oft geben die Hersteller wichtige Informationen zur Belichtung und wie man zum Beispiel das LOG-Profil des jeweiligen Herstellers belichten sollte. Überlegt euch auch, ob ihr überhaupt in einem LOG-Profil aufnehmen müsst.

Noch ein kleiner Punkt zum Abschluss. Die Belichtung eurer Kamera ist natürlich wichtig und ihr solltet verstehen, wie ihr die optimale Belichtung auf den Sensor und dann in eure Daten bekommt. Viel wichtiger ist aber die eigentliche Lichtgestaltung auf dem Set. Wenn ihr das Licht beeinflussen könnt, dann solltet ihr das auch. 

*es handelt sich um Fotokoch-, Amazon-, EBay-, SmallRig oder Thomann-Affiliate Links.
Das bedeutet, ich bekomme eine Miniprovision, wenn jemand etwas kauft,
das Produkt wird dadurch nicht teurer.

Josef Sälzle DIE LICHTFÄNGER

Hi, ich bin Josef, Kameramann und Filmemacher.
Ich schreibe in meinem DIE LICHTFÄNGER Blog über die Theorie des Filmemachens, schaue mir die Technik an
und gebe euch Tutorials zu unterschiedlichsten Themen.

Mit meiner Filmproduktion DIE LICHTFÄNGER mache ich Filme für Unternehmen sowie für Selbstständige. Bei Fragen könnt ihr mir gerne eine Mail schreiben.

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